Am Freitag, den 08.04.2022 haben wir uns mit 8 Teilnehmerinnen vom Projekt „Erfahrungswelten“ durch Sturm, Hagel und Regenschauer von der Schiffbrücke 50 zum Sultanmarkt in die Neustadt 26 gekämpft, wo inzwischen ein interessantes, aktives Kulturprojekt entstanden ist. Ich betone das für uns norddeutsche nicht unvertraute Wetter, da es für die Frauen aus Eritrea, Syrien und dem Irak eine große Überwindung bedeutet hat und sie eigentlich nach den ersten Schritten nach Hause wollten. Sie waren aber sehr motiviert, die Ausstellung einer jungen Kurdin zu besuchen, die nach ihrer Flucht aus dem Irak angefangen hat, Bilder zu malen, um ihre Gefühle zu verarbeiten.
„Einsamkeit“ ist auch der Titel ihrer Ausstellung und in einigen abstrakten Bildern beschreibt sie ihre Gedanken so: fremd sein, nicht dazugehörig, die neue Sprache und Kultur nicht verstehen, quälende und belastende Erinnerungen. Mehrere Teilnehmerinnen von „Erfahrungswelten“ konnten sich damit gut identifizieren, sagten: in ihrem Kopf seien auch so viele dunkle Gedanken, Sorgen und Trauer über Erlittenes und Verlorenes. Den meisten gefielen aber die harmonischeren Bilder, die Frauen als stillende Mutter oder in traditioneller Kleidung mit Kopfschmuck und vertrauten Gesten zeigen. Ein Bild, dass an eine verregnete Fensterscheibe erinnert mit viel Blau und etwas Gelb, haben die Frauen gleich als „viele Tränen, viel weinen!“ gesehen. Die Künstlerin selbst wollte darin die leidenden Menschen in der Ukraine (gelbe Farbe) zeigen (was wir als Tropfen gesehen haben, sollten Köpfe sein) die vielen blauen Köpfe (Tropfen) sind die vielen Menschen, die einfach dem Leid anderer nur zu sehen. Die Bilder von Naschima Rascho, die unverhüllt die nackten, gequälten, gepeinigten und blutenden Frauen zeigen, die alle ihren Freundinnen gewidmet sind, die teilweise immer noch verschollen oder auch tot sind und in denen sie ihren Schmerz ausdrückt über das unfassbar große Leid von Frauen im Krieg, die zusätzlich zu allem Schrecken auch noch sexualisierte Gewalt erleiden, waren hinter einem schwarzen Vorhang, so dass wir als Besucher*innen selbst entscheiden konnten, ob wir diese Bilder sehen wollten. Die Teilnehmerinnen haben sich ausdrücklich dagegen entschieden und ich habe mir diese Bilder alleine angesehen. Dabei konnte ich nur ahnen, wie tief ein Gefühl von „Einsamkeit“ sein kann, wenn es für erlebte Schmerzen kaum noch Worte gibt.
Naschima Rascho sagt, dass sie keine Therapie brauche, sondern Kunst und im Grunde, das Malen selbst für sie auch heilend ist und eine Möglichkeit, mit anderen in Kontakt zu treten in dieser Ausstellung. In unserem Gespräch beeindruckte mich besonders die Lebensgeschichte der jungen Frau und Künstlerin, die erst seit 6 Jahren hier lebt, so gut Deutsch gelernt hat, sich in einer Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin befindet und noch weiter lernen will, um Erzieherin zu werden und auf vielfältige Weise kreativ tätig ist.